Dunkle Klippen entlang windumtoster Landzungen, einzigartig geformte Küstenlandschaften und mitten in charmanter Abgeschiedenheit quietschbunte Häuserfassaden, die kleine Farbtupfer in die raue Felslandschaft setzen: Der Wild Atlantic Way entlang der Westküste Irlands zählt mit mehr als 2.500 Kilometern zu den längsten Küstenstraßen der Welt – und zu den sehenswertesten. Die Straße von Kinsale im Süden bis zur Halbinsel Inishowen im Norden punktet mit spektakulären Naturpanoramen, aber auch mit irischer Tradition. Hier werden uralte Bräuche und die irische Sprache bis heute gepflegt. Ein spannender Mix, der ideal für eine (zumindest) 14-tägige Erkundungstour mit dem Mietwagen ist.
Los geht die Reise entlang des braunen Straßenschildes mit der blau-weiß gezackten Welle rund 27 Kilometer südlich von Cork, in Kinsale. Dank seiner ausgezeichneten Fischlokale gilt der Küstenort als Gourmet-Hochburg Irlands. Entlang der Hauptstraße reihen sich bunte Häuser aneinander und hinter dem Hafen winden sich die Straßen vom Meer aus die Hügel hinauf. Oberhalb des Yachthafens liegt auf den Klippen ein schaurig-schöner, sternförmiger Festungsbau aus dem 17. Jahrhundert. Charles Fort schützte einst die Einwohner vor Seeübergriffen.
Autovermietung IrlandVon hier aus schlängelt sich die Küstenstraße westwärts nach Clonakilty mit seinem weiten, weißen Sandstrand. Dieser wird von einer kleinen Klippe geteilt und Wagemutige stürzen sich mit Surfbrettern in die Wellen. Trotz des mediterranen Flairs ist Clonakilty eigentlich ein typisch irisches Küstendorf, wo zum Frühstück auch Black Pudding, also Blutwurst, aufgetischt wird. Das Stadtbild wird von malerischen, bunt getünchten Häuserfassaden dominiert, hinter denen sich gemütliche Pubs verstecken. Das Städtchen wurde im 17. Jahrhundert vom ersten Earl of Cork gegründet und erlangte als Heimatort von Michael Collins (1890 – 1922) Bekanntheit, einem der Führer des irischen Unabhängigkeitskampfes. Noch heute ziert ein Denkmal des „Long Fellow“ den zentralen Emmet Square.
Von Clonakilty geht es mit dem Auto zum südlichsten Zipfel der Insel, vorbei an Skibbereen, das im 19. Jahrhundert während der Großen Hungersnot traurige Berühmtheit erlangte. Auf der Halbinsel Mizen Head taucht man in eine karge, schöne Welt aus hohen Hügeln, Felsvorsprüngen und ginsterbewachsenen Mooren ein. Hier führt die Bogenbrücke Mizen Head Bridge über einen Felsspalt und gibt den Blick aus schwindelerregender Höhe auf das schäumende Meer frei, in dem sich mit etwas Glück Seerobben, Delfine und Buckelwale tummeln. Fußkribbeln ist also programmiert. Vor der Küste strahlt einem auf dem Fastnet Rock der gleichnamige Leuchtturm entgegen. Hier segelten nach der Hungersnot die meisten Schiffe vorbei. Die so genannte Träne Irlands war oftmals das letzte, was die irischen Auswanderer von ihrer Heimat sahen.
Auf dem Weg nach Bantry schiebt sich die Küstenstraße in kurvigen Linien an der schmalen Landzunge von Sheep’s Head mit vereinzelten Dörfern und wilden Feldern vorbei. Bantry blieb von Touristenmassen verschont. Die gut 3.000 Einwohner leben bis heute ihren gemütlichen Küstenalltag und machen Geschäfte mit Miesmuscheln, die es in der Bantry Bay zuhauf gibt. Auf einer Klippe über der Fischerbucht erhebt sich hinter einer mächtigen Steintreppe ein prunkvolles Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert. Im Bantry House kann man in feudaler Kulisse übernachten und wie einst die vornehme Gesellschaft einen Drink im Billardzimmer oder auf der moosbewachsenen Terrasse genießen.
Auf Höhe von Ballylikely lohnt es sich, den Wild Atlantic Way kurz zu verlassen und einen Umweg nach Gougane Barra einzulegen. Der kleine See mitten im Nirgendwo ist von Bergen und Wäldern umgeben. Auf einer kleinen Halbinsel liegt eine der kleinsten Kirchen der Welt.
Die Küstenstraße führt weiter in die Grafschaft von Kerry nach Kenmare, einer beschaulichen Stadt mit langer Kunsthandwerkstradition. In den Pubs wird vornehmlich fangfrischer Fisch serviert. Zwischen den bunten Häuserfassaden geben architektonische Perlen wie die Carnegie Library und das Old Courthouse gute Fotomotive ab. Kenmare wurde einst von Wikingern heimgesucht, die unweit der Stadt Steinkreise hinterließen. Heute befindet sich in der dreieckig angelegten Siedlung eine der ältesten Brückenruinen des Landes, die Cromwell-Bridge. Der Legende nach wurde sie von dem Engländer Oliver Cromwell nach einem Pakt mit dem Teufel an nur einem Tag errichtet.
Auf der Halbinsel Dingle weiter nördlich schlängelt sich der aussichtsreiche Slea Head Drive an der unbändigen Küste entlang und offenbart mit eisenzeitlichen Forts wie den Ruinen von Dunbeg Fort, Steinkreisen, Beehive Huts (einfache Steiniglus) und etwa 2.000 Megalithgräbern am Wegesrand ein Stück irische Landesgeschichte. Slea Head, der namensgebende Ort, ist mit einem großen, weißen Kruzifix markiert. Bemerkenswert ist auch der Ort Dingle selbst, der seit mehr als 30 Jahren von seinem Delfin Fungi lebt. Den Meeressäuger verschlug es einst in den hiesigen Hafen. Und offenbar gefiel es ihm dort so gut, dass er seither täglich hunderte Boots-Touristen unterhält.
Auf der vorgelagerten Insel fallen die mit Gras und Moos bewachsen Steilklippen von Moher bis zu 214 Meter senkrecht in den Atlantik ab. Unterhalb der grauen Felswand frisst sich laut dröhnend der Ozean immer tiefer in den Sandstein und Schiefer. Oberhalb führt ein Wanderweg entlang, der an manchen Stellen halsbrecherisch eng ist. Hintern den Steilklippen setzt sich die kurvige Straße vorbei am Burgturm Doonagore fort, der in der rauen Küstenlandschaft einsam sein Dasein fristet. Hier liegt das Fischerdorf Doolin. Knallbunte Steinhäuser und reetgedeckte Cottages stehen in Reih und Glied entlang der asphaltierten Straße. Tagsüber macht das Dorf einen recht verschlafenen Eindruck. Lediglich vom Hafen aus legen immer wieder Kutter mit Touristen zu den Klippen von Moher ab. Doch sobald die Sonne untergeht, liegt der Duft von gutem irischen Essen und Guinness in der Luft und durch die offenen Pubtüren ertönen Handtrommeln, Geigen, Tin Whistles und Akkordeonklänge. Kaum ein anderer Ort auf der Insel ist so bekannt für traditionelle irische Musik wie Doolin.
In einer bogenförmig geschwungenen Bucht weiter nördlich liegt Galway. Ein frischer Wind pfeift durch die schmalen Kopfsteinpflastergassen, an denen sich Pubs von zeitlosem Charme – wie The Quays, ein Pub in einer alten Klosterkirche mit Livemusik von der Kanzlei – aneinanderreihen und Straßenkünstler für Unterhaltung sorgen. In der Bucht von Galway hat die Austernzucht eine lange Tradition. Deswegen sollte man hier unbedingt etwas Zeit einplanen und frische Austern essen gehen. Nach Galway windet sich der Wild Atlantic Way zwischen Meer und Gebirge durch die abgelegenen Regionen von Connemara. Die unbändige Landschaft ist von kargen Hochebenen, heidebedeckten Torfmooren mit kleinen Seen und weißen Sandstränden bestimmt. Zwischen Wäldern und Hecken, inmitten der Weidelandschaft, liegt die Kleinstadt Clifden, wo noch alte Bräuche gepflegt werden und die Menschen hauptsächlich Irisch sprechen. Handwerkerläden, Pubs und Restaurants reihen sich dicht an dicht und knallige Häuserfassaden und bunte Wimpel schmücken die alten Gassen. Unweit der Stadt steht mit der malerischen Kylemore Abbey eine der ältesten irischen Benediktinerabteien.
Über den einzigen Fjord Irlands, dem Killary Harbour durch das Doolough Valley, wo es nichts als unberührte Natur und Schafe gibt, führt der Wild Atlantic Way in die Grafschaft Donegal. Hinter der gleichnamigen Hafenstadt liegt einer der spektakulärsten Küstenstreifen Europas. Kantige Granitberge wechseln sich mit kleinen weißen Sandbuchten ab, die sich sichelförmig zwischen die Felswände schmiegen. Mit rund 600 Metern Höhe sind die schroffen Klippen von Slieve League so hoch wie keine anderen in Europa. Oberhalb geht es auf der engen Straße durch die dünn besiedelte Region weiter Richtung Norden, wo die Küstenstraße irgendwann in den hohen Bergen verschwindet.