Mitten im Atlantik zwischen den Azoren und den Kanaren liegt Madeira. Ein riesiger Vulkan, der beinahe 2.000 Meter aus dem Wasser ragt, Schluchten und Gebirge bestimmen das Leben und den Alltag auf der Insel. Eine ihrer Hauptattraktionen ist die alte Küstenstraße ER 101, die sich eng an der Küste entlang um die Insel schlängelt. Sie zählt zu spektakulärsten Routen der Welt, auch weil sie an manchen Stellen so schmal und windig wird, dass so manchem Autofahrer der Angstschweiß auf der Stirn steht. Mit dem Mietwagen geht es von Madeiras Hauptstadt Funchal entlang der Südwestküste bis nach Santana an die Nordküste, vorbei an dunklen Lavaformationen, steilen Klippen, blumenüberzogenen Hängen und Fischerdörfern. Die Strecke selbst ist nur 131 Kilometer lang, dennoch sollte man zwei bis drei Übernachtungen einplanen, um die Schönheit dieser Küstentour in all ihrer Vielfalt genießen zu können.
Autovermietung FunchalVon Funchal aus führt die Route mit dem Auto zunächst gen Westen. Hat man die Hauptstadtgrenzen hinter sich gelassen, tauchen die kleine Kapelle und die roten Dächer von Câmara De Lobos („Höhle der Mönchsrobben“) auf. Allerdings sollte man sich vom Namen nicht irritieren lassen. Er stammt von Entdeckern, die den Ort im 15. Jahrhundert nach den vielen Seelöwen vor der Küste benannten. Heute zieren vornehmlich Fischerboote den Hafen. Dahinter breiten sich terrassenförmig bunte Häuschen aus, das wichtigste Anbaugebiet für den Madeirawein im Rücken. Der Alltag hier wird vornehmlich von Fischerfamilien, aber auch Touristen bestimmt. Am Abend kann man den Fischern bei ihren Vorbereitungen für die nächste Ausfahrt zuschauen, bevor man in eine der vielen kleinen Bars für einen Ponchas, frisch gepressten Zitronensaft mit Honig und Zuckerrohrschnaps (Aguardente), und Schnecken mit frischem Brot und Knoblauchbutter einkehrt. Bekannt wurde das Küstenörtchen durch Winston Churchill, der es bei einem Urlaub auf vielen seiner Bilder verewigte. An jener Stelle am Hafen, wo Churchill oft stundenlang saß und das Fischerdorf malte, erinnert heute eine Gedenktafel.
Im Westen von Câmara De Lobos erhebt sich mit 580 Metern Höhe die zweithöchste Steilklippe der Welt, das Cabo Girão („Kap der Umkehr“). Von einer freischwebenden, gläsernen Aussichtsplattform überblickt man das Meer, die Terrassenfelder und die Inselhauptstadt.
Von der Küstenstraße 101 zweigt in Estreito de Calheta eine zweieinhalb Kilometer lange schmale Sackgasse ab, die vorbei an alten Fischerhäusern zum Meer und damit zum Restaurant „Tar Mar“ führ. Dieses ist bekannt dafür, die besten Fischgerichte im Südwesten Madeiras aufzutischen. Unweit entfernt befindet sich auch einer der begehrtesten Surfspots der Insel: Jardim Do Mar. Obwohl nicht ganz einfach zugänglich, brachen von hier aus früher zahlreiche Menschen nach Übersee auf.
Hinter Jardim Do Mar führt die ER 101 in ein weiteres romantisches Küstendorf, das einst eine wichtige Rolle für den madeirischen Fischfang spielte: In Paúl Do Mar wurde 1912 eine Thunfischkonservenfabrik errichtet. Heute zeugen nur noch die Reste des alten Fabrikschornsteins und der Salinen von jener glorreichen Zeit. Bis in die 1960er-Jahre hinein war das von Felsklippen umgebene Dorf nur mit dem Boot und über abenteuerliche Geländewege zu erreichen. Fremde verirrten sich selten hier her. Am Hafen liegen heute kleine Fischerboote auf dem Wasser. Vom Meeresufer aus schlängelt sich ein Wanderweg vorbei an den von der Landwirtschaft genutzten Terrassen die Gebirgswand hinauf.
Mit dem Mietwagen geht es weiter zum westlichsten Zipfel von Madeira, nach Ponta do Pargo, wo einsam am Ende des Kaps der höchstgelegene Leuchtturm Portugals steht. Rechts und links des Farol mit seiner roten Kuppel geht es über 300 Meter in die Tiefe. Das Felsplateau vor dem Häuschen des Leuchtturmwärters ist rund um den Sonnengang von verliebten Pärchen gesäumt. Folgt man dem Schild Miradouro, erreicht man in wenigen Fahrminuten das Restaurant „Casa de Chá O Fio“, wo in einem gemütlichen Garten auf rustikalen Holzbänken und Tischen hausgemachte portugiesische Fischgerichte serviert werden.
Im typisch madeirischen Kurvengeschlängel führt die Straße weiter an die Nordwestküste zum beliebten Badeort Porto Moniz, früher ein klassisches Fischerdorf. Natürliche, von bizarren Felsformationen aus Lavagestein umgebene Schwimmbecken werden bei Flut mit kristallklarem Meerwasser gefüllt. Unterhalb der Becken krachen die Wellen des Atlantiks gegen die Felsen. Gleich gegenüber dem Meeresschwimmbecken reihen sich Restaurants wie das „Salgueiro“ und das etwas noblere „Orca“ aneinander. Hier kommen vornehmlich lokale Spezialitäten wie Schwertfisch, Papageienfisch und Thunfisch auf den Tisch.
Dem kurvigen Straßenverlauf folgend geht es ins schmale und von wilder Natur umrankte Tal Ribeira da Janela. Umgeben von fast schon tropischen Wäldern, kleinen Seen und außergewöhnlichen Felsformationen liegen auf dem Berghang verstreut die hübsch gepflegten Häuser des gleichnamigen Dorfes. Dazwischen erstrecken sich Felder mit (Süß-)Kartoffeln, Mais, Bohnen und Wein. Seinen Namen verdankt der Ort den Felsformationen am Meer, welche durch die Mündung des Flusses wie ein offenes Fenster anmuten. Unweit entfernt auf 1.130 Metern Höhe stehen in einem Vulkankrater Reihe um Reihe jahrhundertealte Baumriesen, die von dichtem Moos überwuchert und mit Farn bewachsen sind. Oftmals verschwindet der mystische Lorbeerwald von Fanal in dichten Nebelschwaden.
Weiter nördlich liegt in einer geschützten Bucht auf einer von gigantischen Felsen umgebenen Landzunge das Küstendorf Seixal. Seinen Beinamen „Forellengemeinde“ verdenkt es seinen Restaurants, in denen es, so heißt es, die besten Forellengerichte auf Madeira gibt. Auf Steinterrassen oberhalb des Dorfes ziehen sich Weingärten und Gemüsefelder den kargen Felsen hinauf. Darunter reihen sich die farbenfrohen Häuser, verziert mit handbemalten Azulejo-Fliesen und typischen Rauchfängern. Lenkt man den Mietwagen um die Landspitze herum, gelangt man zu einer weiteren Bucht, wo zwischen natürlichem Felsschwimmbecken und schwarzem Strand aus einer Steinwand ein glasklarer Wasserfall, der Véu da Noiva, senkrecht am Felsen hinabstürzt.
Zwischen den Klippen bei Seixal beginnt das Tal von São Vicente. Das gleichnamige Dorf liegt rund sieben Kilometer entfernt, ebenfalls direkt am Meer. Um die barocke Pfarrkirche Igreja de São Vicente herum findet man verstreut urige Lokale, wo es madeirische Spezialitäten wie die Caldo da Romaria, die typische Suppe des Ortes mit Rindfleisch, Zwiebeln, Karotten, Kartoffeln und Tomaten, gibt. In der Nähe liegen die Lavagrotten Grutas e Centro de Vulcanismo mit den mehr als 400.000 Jahre alten unterirdischen Lavalkanäle von São Vicente. Dort erfährt man, mit Blick auf erstarrte Vulkansteinzapfen und Lavaflüsse, mehr über die Entstehung Madeiras.
Zwischen Ponta Delgada mit seiner kalkweißen Dorfkirche direkt am Klippenabgrund und Santana mit den typischen, strohgedeckten Häusern, den Casas de Colmo, zeigt sich die alte Küstenstraße ER 101 noch einmal von ihrer abenteuerlichsten Seite: Hier ist die Straße teilweise so eng, dass man stets hofft, dass kein Gegenverkehr auftaucht. Dafür wird man nach jeder Kurve mit einem neuen Blickwinkel auf saftig-grüne Wiesen mit eingesprenkelten weißen Häusern vor der steil abfallenden Küste belohnt – und in ganz knappen Momenten kann man immer noch für eine kurze Pause auf einen der kleinen Miradorous ausweichen.