Kleine Dörfer mit roten Backsteinbauten hinter aufgeräumten Vorgärten und niedlichen Landbäckereien, alte Fischkutter, die an den Häfen ein- und auslaufen und weite Dünenlandschaften, aus denen romantisch Leuchttürme aufragen – Ostriesland an der Nordseeküste ist ein ganz besonderes Fleckchen Erde. Stetige Windböen und eine salzige Brise sind hier öfter zu Gast als Sonnenschein. Deswegen trinken die Ostfriesen auch eifrig Tee und reden gerne vom so genannten Schietwetter. Jeder, der sich auf diese maritime Mietwagen-Tour entlang der Waterkant verirrt, sollte deshalb vorsorglich einen Friesennerz, die alltaugliche Wetterjacke, einpacken.
Knapp drei Stunden dauert die Fahrt mit dem Auto von Hannover ins rund 220 Kilometer entfernte Leer, das das Tor zu Ostfriesland nahe der Nordseeküste markiert. Schon von Weitem ragt der quadratische Turm des alten Rathauses in die Höhe. Um das alte Backsteingebäude von 1894 schmiegen sich entlang mit Kopfstein gepflasterten Gassen hübsch renovierte Häuser, manchmal mit Rosen an den Wänden, manchmal mit kleinen verzierten Bänken davor. Im Hafen schaukeln alte Holzschiffe und Krabbenkutter auf dem Wasser, während sich die Uferpromenade mit den typischen roten Backsteinbauten und Hafencafés schmückt – die perfekte Einstimmung auf den mehrtägigen Nordsee-Roadtrip.
Autovermietung HanoverNur knapp 30 Minuten Autofahrt entfernt von Leer liegt Emden. In der Küstenstadt weht stets eine frische Meeresbrise durch die Gassen und Delften, den Überresten des ehemaligen Emder Hafens. Weil in Emden das Wetter oft etwas ungemütlich ist, soll es außergewöhnlich viele urige Kneipen und Bars geben. Ein weiterer Grund dafür ist freilich, dass hier früher einer der bedeutendsten Seehäfen lag – und die Seemänner ihren Landgang gern in den Kneipen verbrachten. Bei einem Spaziergang zur Emder Ratsdelft kann man sich kurz selbst als Seemann (oder Seefrau) fühlen. Eine breite Treppe führt vom Rathaus hinunter ans Wasser, wo die Emder Museumsschiffe wie das „Amrumbank“ vor Anker liegen. Einst wies es als „fahrender Leuchtturm“ bei Wind und Wetter anderen Booten den Weg. Heute kommen im rot-gelben Feuerschiff deftige ostfriesische Spezialitäten auf den Tisch. Aus der Schiffskombüse werden Matjesheringe, Seemanns-Labskaus oder Krabbensuppe gereicht, während sich durch die Bullaugen das rege Treiben in der Stadt und auf dem Wasser beobachten lässt.
Wer die ostfriesische Idylle sucht, findet sie spätestens in Greetsiel. Von Emden führt der Weg immer an der Nordseeküste entlang ins rund eine Stunde entfernt liegende Fischerdorf. Schon von Weitem sieht man die beiden Zwillingsmühlen und die alten Schiffmasten der zahlreichen Krabbenkutter über den Deich emporragen, die mit ihren Schleppnetzen im Greetsieler Fischereihafen vor Anker liegen. Dahinter verstecken sich historische Giebelhäuser aus Backstein und Kapitänshäuser reihen sich um den urigen Hafen. Hier heißt es allerdings: Mietwagen abstellen. Denn Autos sind im Küstenort nicht gern gesehen. Zu Fuß geht es durch die kleinen Gassen vorbei an Galerien, Kunst- und Handwerksgeschäften zum Hafen. In den dortigen Cafés und Teestuben direkt an der Uferpromenade kann man bei Ostfriesenkännchen und Gebäck den bunten Krabbenkuttern beim Ein- und Auslaufen zusehen. Einst war Greetsiel ein bedeutender Handelshafen, von dem aus die Schiffe zu den Weltmeeren aufbrachen. Heute nehmen die Krabbenkutter auch Gäste mit auf ihre Fangfahrten hinaus aufs Meer.
Weiter geht es durch die ostfriesische Nordseelandschaft, vorbei an weidenden Kühen und grasenden Schafen, einsamen Höfen und kleinen Dörfern – dorthin, wo über die Jahrhunderte eine tiefe Meeresbucht von den Sturmfluten an Land gegraben wurde: der Jadebusen. Auf 190 Quadratkilometern zwischen Weser- und Emsmündung erstreckt sich das einstige Hochmoor, das heute zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gehört. Zwei Mal am Tag entleert sich der Jadebusen und gibt den Blick über den dunkel glitzernden Schlick in die Ferne frei.
Am südlichen Ende liegt Wilhelmshaven. Zu Kaiserzeiten wurde die Stadt als Marinegarnison geplant. Lange galt sie mit ihren monotonen Häuserreihen, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu schnell hochgezogen worden waren, als trister Marine- und Industriestandort. Über die historische Kaiser-Wilhelm-Brücke führt der Weg auf der Maritimen Meile vorbei an den vielen Museen der Stadt bis zum Südstrand direkt ans Wasser. Auf dieser umtriebigen Promenade tummeln sich heute bei gutem Wetter nicht nur Zugereiste, sondern auch Einheimische zum Picknick oder Entspannen in den weiß-bunten Strandkörben, die stramm in zwei Reihen am Wasser stehen. Wenige Meter östlich, allerdings etwas versteckt, liegt am Yachthafen das „Seglerheim“. Von außen eher unscheinbar, wird in dem alteingesessenen Restaurant mit Blick auf die Segelboote im Nassauhafen fangfrischer Nordseefisch aufgetischt, so frisch, wie man ihn nirgendwo sonst in Wilhelmshaven bekommt.
Südlich der Stadt schlängelt sich die Route am Jadebusen entlang durch flaches Wiesenland, vorbei an Bauernhöfen und der ehemaligen Seeräuberstadt Varel mit ihren reetgedeckten Häusern. Über die Weser hinweg geht es hinein nach Bremerhaven. Oft hängen die Wolken tief und dunkelgrau über den hohen Containerbrücken und Kränen der Stadt. Die Wellen plätschern unentwegt hinter den Hafenbecken im maritimen Takt und Möwen ziehen gackernd ihre Runden über Einheimischen und Touristen, die auf dem Stufen zum Wasser sitzend in ihr Fischbrötchen beißen.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts befand sich hier der bedeutendste Auswandererhafen Europas. Vom ganzen Kontinent kamen Menschen angeströmt, um an der 1.000 Meter langen tristen Kaimauer an der Columbuskaje ihr Übersee-Abenteuer zu starten. In Scharren stiegen sie auf die großen Schiffe, nur selten kamen sie wieder zurück. Heute weht mit der steifen Meeresbrise immer noch ein wenig Überseeflair durch die Bremerhavener Straßen. Unweit des Auswandererhauses, das seit 2005 die Geschichte der Abenteurer dokumentiert, liegt eine weitere Bremerhavener Institution: die Fischbratküche „Hopker“. Die rustikalen Holztische und die kupferfarbene Ziermarkise über dem Ausgabetresen lassen vermuten, dass auch dieses Restaurant schon einige Jahre auf dem Buckel hat.
Immer nah an der Nordseeküste entlang markiert das beschauliche Cuxhaven die letzte Station auf der Mietwagen-Tour. Umgeben von einem Küstenheidegebiet führt die Route am langen Sandstrand entlang, die von putzigen gelben Strandkörben mit Blick auf die vorbeiziehenden Segelschiffe im Wattenmeer gesäumt ist. Zu den idyllischsten Orten des Seebades zählt auch der Elbanleger „Alte Liebe“. Die weißgetünchte Aussichtsplattform wurde im 18. Jahrhundert aus drei versenkten Schiffen gebaut. Heute kann man hier gemütlich auf den Bänken sitzend die vielen Schiffe im Hafen beobachten, während unterhalb der Holzbretter die Wellen krachen und Akkordeonspieler alte Seemannslieder anstimmen. Manchmal bietet sich auch ein sonderbares Naturschauspiel: Während die Dampfer auf der Elbe hin und her schippern, liegt im Hintergrund die Nordsee in Ebbe. Bei Niedrigwasser fallen die Sandbänke vor der Küste trocken und knuffige Seehundrudel lassen sich die Sonne auf den Pelz scheinen.